BGH klärt Schadenersatz bei Abbruch eines Vergabeverfahrens

Immer wieder kommt es vor, dass öffentliche Auftraggeber begonnene Vergabeverfahren beenden wollen. Nach den Vergabevorschriften darf in bestimmten Fällen das Vergabeverfahren berechtigt aufgehoben werden. Darüber hinaus ist ein Auftraggeber aber auch sonst nicht zu einem Zuschlag verpflichtet und kann von seinem Beschaffungsvorhaben jederzeit Abstand nehmen, wenn dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann der Fall sein, wenn der Bedarf für den ausgeschriebenen Auftrag entfallen ist. Können Bieter, die sich vergeblich um den Auftrag beworben haben, dann Schadensersatzansprüche geltend machen? Mit dieser Frage hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich zu befassen (Az.: XIII ZR 19/19 vom 08.12.2020). 

In dem Fall hatte eine Gemeinde den Bau einer Flüchtlingsunterkunft ausgeschrieben. Da die Gemeinde im Laufe des Vergabeverfahrens unsicher war, ob die Unterkunft überhaupt noch benötigt würde, hob sie das Verfahren einfach auf. Ein halbes Jahr später schrieb sie den Bau aber wieder aus und entschied sich dieses Mal für einen anderen Bieter, der ein noch günstigeres Angebot vorlegte. Daraufhin klagte die Baufirma, die im aufgehobenen Verfahren das günstigste Angebot abgegeben hatte und nach ihrer Einschätzung den Zuschlag hätte erhalten müssen, auf Ersatz der Kosten für die Angebotserstellung und für den entgangenen Gewinn. Das Oberlandesgericht Karlsruhe folgte zunächst der Klägerin. In der Revision bekam jedoch die Gemeinde Recht. 

Der BGH entschied, dass die Gemeinde das Vergabeverfahren zwar rechtswidrig aufgehoben habe, weil kein Aufhebungsgrund im Sinne der Vergabevorschriften (siehe etwa § 17 VOB/A, § 63 VgV oder § 48 UVgO) vorlag. Ein schwerwiegender Grund im Sinne dieser Vorschriften müsse so gewichtig sein, dass „eine Bindung des Auftraggebers an die Bedingungen der Ausschreibung mit Recht und Gesetz unvereinbar wäre und von den Bietern erwartet werden kann, dass sie auf die rechtlichen und tatsächlichen Bindungen des Ausschreibenden Rücksicht nehmen“, heißt es in der Entscheidung. Daran fehlte es. 

Der danach bestehende Schadenersatzanspruch des günstigsten Bieters aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) umfasse aber nur dann den Ersatz für den entgangenen Gewinn, wenn der Auftraggeber ihm nicht den Zuschlag erteilt, obwohl er dies unter Beachtung der maßgeblichen vergaberechtlichen Vorschriften hätte tun müssen. Der Anspruch besteht, wenn der später vergebene Auftrag bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise das gleiche Vorhaben und den gleichen Auftragsgegenstand betrifft und die Auftragsvergabe wertungsmäßig als Zuschlag im ersten Vergabeverfahren an einen in diesem Verfahren nicht zuschlagsberechtigten Bieter anzusehen ist. Dann sei der Bieter wirtschaftlich so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn ihm der Auftrag und nicht dem Dritten zugeschlagen worden wäre, so die BGH-Richter. Da für die Aufhebung des ersten Verfahrens aber ein sachlicher Grund bestand, waren nur die entstandenen Kosten für die Angebotserstellung zu ersetzen. „Auftraggeber sind daher gut beraten, bei der Aufhebung eines Vergabefahrens die Gründe sorgfältig zu dokumentieren. Soll der Auftrag später doch neu vergeben werden, sollten Änderungen im Leistungsverzeichnis geprüft werden, um eine Vergleichbarkeit zum früheren Verfahren auszuschließen“, erläutert Rechtsanwalt Janko Geßner. 

Ansprechpartner für alle Fragen des Vergabe- und privaten Baurechts in unserer Praxis sind Rechtsanwalt Janko Geßner, Rechtsanwältin Madeleine Riemer, Rechtsanwältin Dr. Janett Wölkerling, M. mel. und Rechtsanwalt Philipp Buslowicz, LL.M.. 

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