Dringlichkeitsvergaben in Zeiten von Corona

Die Corona-Epidemie stellt die öffentliche Hand vor besondere Herausforderungen. Dabei steht die Aufrechterhaltung der öffentlichen Gesundheitsversorgung im Fokus. So ist die Ausstattung der öffentlichen Krankenhäuser, etwa mit Schutzmasken oder Desinfektionsmitteln, sicherzustellen. Auch kann die kurzfristige Erweiterung von Räumlichkeiten zur Schaffung weiterer Behandlungskapazitäten in Betracht kommen. Die Gesundheitsämter vor Ort, kommunale Krankenhäuser, aber auch die die Landes- und Bundesbehörden, stehen vor der Aufgabe, Entscheidungen sehr schnell zu treffen und umzusetzen. Auch in diesen Zeiten gelten für öffentliche Beschaffungen die Regelungen des Vergaberechts. Für die Entscheidungsträger stellt sich deshalb die Frage, welche Möglichkeiten das Vergaberecht bietet, die Vergabeverfahren aufgrund der besonderen Dringlichkeit zu erleichtern.
Für die Vergabe von Lieferungen und Dienstleistungen im Oberschwellenbereich (ab 214.000 € bzw. bei oberen/obersten Bundesbehörde ab 139.000 €) sieht die Vergabeverordnung (VgV) die Möglichkeit vor, Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb (§ 14 Abs. 4 VgV) zu vergeben. Öffentliche Auftraggeber sind dann nicht verpflichtet, den Auftrag europaweit auszuschreiben. Vorgaben, nach denen die Auftraggeber eine Mindestanzahl von Unternehmen zur Abgabe eines Angebots auffordern müssen, gelten für diesen Fall nicht. Vielmehr können sie sich direkt an das oder die Unternehmen wenden, die sie für die Beschaffung beauftragen wollen.
Das setzt voraus, dass äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, eine Einhaltung der sonst geltenden Mindestfristen nicht zulassen (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV). Die Vorschrift erfasst akute Gefahrensituationen und Fälle höherer Gewalt, durch die sofortiges Handeln geboten ist, um Schäden für Leib und Leben der Allgemein zu verhindern. Die sich rasch ausbreitende Corona-Epidemie und eine drohende Unterversorgung mit Gesundheitsgütern ist ein solcher Fall. Gleichwohl muss im Vergabevermerk festgehalten werden, dass die Einhaltung der normalen oder verkürzten Angebotsfristen nicht möglich war.
Eine entsprechende Verfahrenserleichterung findet sich auch im Unterschwellenbereich. Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) erlaubt dem Auftraggeber die Verhandlungsvergabe (§§ 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO) im Wege der Direktverhandlung (vgl. § 12 Abs. 3 UVgO). Bei Bauleistungen etwa zur Erweiterung von Behandlungsräumen erfolgt die Dringlichkeitsvergabe nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 VOB/A bzw. im Oberschwellenbereich nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 EU VOB/A.
“Für Entscheidungsträger in Gesundheitsämtern und Ministerien ist es wichtig, auch in der Krise handlungssicher zu bleiben und schnelle Entscheidungen treffen zu können. Das deutsche Vergaberecht trägt dem Rechnung und gibt den öffentlichen Auftraggeber entsprechende Freiheiten”, erklärt Rechtsanwalt Janko Geßner.
Ansprechpartner für alle Fragen des Vergaberechts in unserer Praxis ist Janko Geßner.

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