Überschwemmungsgebiete sind für Wohnbebauung nicht grundsätzlich tabu

Städte und Gemeinden können häufig neue Baugebiete nicht ausweisen, weil die benötigten Flächen in einem überschwemmungsgefährdeten Gebiet liegen. Das muss jedoch kein absolutes Hindernis sein, hat nun der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim in einem aktuellen Beschluss entschieden (Az.: 3 S 3940/21 vom 09.02.2022).

In dem Fall ging es um die Stadt Freiburg im Breisgau, die einen neuen Stadtteil („Dietenbach“) mit Wohnraum für ca. 16.000 Menschen schaffen will. Durch das Gebiet fließt das Gewässer Dietenbach. Teile dieses geplanten Stadtteils liegen in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet. Dort ist die Ausweisung neuer Baugebiete nach dem Wasserhaushaltsgesetz grundsätzlich untersagt (§ 78 Abs. 1 WHG). Um dieses Verbot zu überwinden, plante die Stadt im Zuge des Gewässerausbaus Längsdämme, die eine zwischen 50 und 150 m breite Bachaue fassen, in der ein Jahrhundert-Hochwasser durch ca. 1 m hohe, quer zum Strom verlaufende, in die Landschaft eingepasste Wälle abgepuffert werden soll. Zudem sind ökologische Aufwertungsmaßnahmen vorgesehen.

Der VGH Baden-Württemberg hat nun den entsprechenden wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss mit deutlichen Worten im Eilverfahren für voraussichtlich rechtmäßig erklärt. Die zentrale Aussage des Gerichts lautet: „Mit einem Gewässerausbau kann der Vorhabenträger berechtigter Weise auch zuvörderst das Ziel verfolgen, das Verbot der Ausweisung von Baugebieten in § 78 Abs. 1 WHG zu überwinden.“ Die Ausweisung von Baugebieten sei ein besonders wichtiges Ziel, so die Richter. Es gebe im Wasserrecht keine Vorgaben, die es verhinderten, mittels Gewässerausbau erst die Voraussetzungen für eine Bebaubarkeit von bisherigen Überschwemmungsgebieten zu schaffen.

„Die Entscheidung ist aus Sicht von Kommunen und Vorhabenträgern begrüßenswert, da sie Städten und Gemeinden neue Gestaltungsspielräume bei der Schaffung von Bauland eröffnet“, stellt Rechtsanwalt Tobias Roß fest, der zu Fragen des wasserrechtlichen Planfeststellungsrechts berät. Überschwemmungsgebiete sind demnach nicht dauerhaft für Bebauung „tabu“ – sie können beispielsweise durch vorherigen Gewässerausbau bebaubar gemacht werden. Allerdings bedürfen solche Vorhaben aufgrund ihrer Komplexität und Fehleranfälligkeit regelmäßig einer umfassenden fachplanerischen und häufig auch juristischen Begleitung des Planungsverfahrens.

Ansprechpartner für rechtliche Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes in unserer Praxis sind die Rechtsanwälte Dr. Jan ThieleDr. Maximilian Dombert und Tobias Roß.

 

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