Vertragsausführungen trotz gestörter Lieferketten und höherer Baukosten

Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die gegen Russland und Weißrussland verhängten Wirtschaftssanktionen haben auch im Bausektor zu Lieferengpässen und Preissteigerungen bei wichtigen Baumaterialien geführt. Auf die aktuellen Entwicklungen haben das Bundesbauministerium und das Bundesverkehrsministerium am 25.03.2022 mit jeweils einem Erlass reagiert, deren Wirkung zunächst bis zum 30.06.2022 befristet ist. Danach können Auftragnehmer die Leistungserbringung trotz bestehender Lieferschwierigkeiten aus der Ukraine und Importbeschränkungen aus Russland und Weißrussland nicht verweigern, sobald alternative Bezugsquellen vorhanden sind. Das gilt auch, wenn Ersatzbeschaffungen  erheblichen Mehraufwand und -kosten verursachen – bis zur Grenze des so genannten „krassen Missverhältnisses“ zwischen Leistung und Gegenleistung, erklärt Rechtsanwältin Dr. Janett Wölkerling. Zudem gehen das Bundesbau- wie auch das Bundesverkehrsministerium bei bestehenden Verträgen im Sinne „höherer Gewalt“ davon aus, dass sich die Ausführungsfrist um die Dauer der Lieferverzögerung von Baustoffen zuzüglich eines angemessenen Aufschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten verlängert. Der Auftraggeber gerät für diesen Zeitraum nicht in Annahmeverzug gegenüber Folgegewerken. Die Anpassung bestehender Verträge ist daher zweckmäßig und interessengerecht. „Bereits bei der Corona-Pandemie hat sich das Rechtsinstitut der „Störung der Geschäftsgrundlage“ durchgesetzt. Es ist auch in Zeiten kriegsbedingter, unvorhersehbarer Lieferschwierigkeiten und erheblichen Steigerungen von Bau(material)kosten auf bestehende Vertragsbeziehungen anwendbar“, erklärt Dr. Wölkerling.

Für künftige Verträge zur Beauftragung von Bauleistungen empfiehlt sie, Klauseln zur Vertragsanpassung bei Störung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage, vor allem im Fall der Pandemie und im Kriegsfall, sowie Klauseln zur Regelung von Fällen „höherer Gewalt“ und deren Rechtsfolgen aufzunehmen. Anderenfalls finden die gesetzlichen Regelungen und die vorrangigen Regelungen der VOB/B Anwendung. Diese sind jedoch mit Unsicherheiten behaftet, über die im Streitfall ein Gericht entscheidet. Zudem rät Dr. Wölkerling, Preisgleitklauseln in Bauverträgen zu vereinbaren, die auf spezifische Baustoffe beschränkt sein können, um realistische Angebote von Bauunternehmen zu erhalten. Zu diesem aktuellen Thema veranstaltet sie auch ein Online-Seminar am 7.04.2022.

Ansprechpartner für alle Fragen des Vergabe- und privaten Baurechts in unserer Praxis sind Rechtsanwalt Janko Geßner, Rechtsanwältin Dr. Janett Wölkerling, M.mel., Rechtsanwältin Madeleine Riemer und Rechtsanwalt Philipp Buslowicz, LL.M..

 

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