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Kleidervorschriften an der Schule – was geht und was geht nicht?

Jogginghosen, zu kurze Röcke, Kappen oder Hotpants wollen viele Lehrer während der Schulzeit nicht an ihren Schülern sehen. Einige Schulen erlassen deshalb spezielle Kleidungsrichtlinien, die das Tragen dieser Kleidungsstücke verbieten.

Ein Jogginghosen-Verbot an einer Schule in Nordrhein-Westfalen schlug kürzlich hohe Wellen in den Medien. Die Schulleitung setzte eine schon länger geltende Kleiderordnung um und schickte Schüler, die in Jogginghosen zur Schule kamen, wieder nach Hause. Sie rechtfertigte diese Maßnahme damit, dass sie die Schülerinnen und Schüler auf das Berufsleben vorbereiten wolle und dazu passe das Tragen von Jogginghosen im Unterricht nicht. Das ginge bei der Arbeit auch nicht. Schülerinnen, Schüler und Eltern reagierten verärgert.

Ist das Jogginghosenverbot rechtlich haltbar?

Nach dem Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen kann die Schulkonferenz eine einheitliche Schulkleidung empfehlen, sofern alle in der Schulkonferenz vertretenen Schülerinnen und Schüler zustimmen (§ 42 Abs. 8 SchulG NRW). So hatte auch die Schulkonferenz der jetzt im Kreuzfeuer der Kritik stehenden Schule bereits 2019 mehrheitlich die Empfehlung beschlossen, dass Jogging- oder Trainingshosen nicht während der Schulzeit getragen werden dürfen. Diese Kleiderordnung hat die Schule auch auf der Schulwebseite veröffentlicht.

Aus der Vorschrift des Schulgesetzes in NRW geht aber ebenfalls hervor, dass eine Schule den Schülerinnen und Schülern nicht das Tragen bestimmter Kleidungsstücke verbieten kann. Zudem müssen einer Empfehlung auch alle Schülervertreter der paritätisch mit Schülern, Eltern und Lehrern besetzten Schulkonferenz zustimmen. Daher können zumindest öffentliche Schulen ihre Schülerinnen und Schüler auch nicht zum Tragen von Schuluniformen oder spezieller Schulkleidung verpflichten. Etwas anders kann allenfalls gelten, wenn durch die Wahl der Bekleidung der Schulfrieden gestört oder der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule gefährdet wird.

Eine zwangsweise Durchsetzung von Kleidungsempfehlungen würde auch mit dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kollidieren: Grundsätzlich ist das äußere Erscheinungsbild (insbesondere also Frisur und Kleidung) eines Schülers seine persönliche Angelegenheit, die vom Grundgesetz und auch von der Landesverfassung NRW (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 und 2 VerfNRW) geschützt wird. Aber auch das Recht auf schulische Bildung wird durch den zeitweisen Schulverweis tangiert. Eine Grundlage für ein individuelles Verbot ist daher aus dem Schulgesetz NRW, das ausdrücklich nur von einer „Empfehlung“ spricht, nicht herzuleiten. Vielmehr entfalten die Grundrechte ihre Schutzwirkung auch innerhalb der Schule und zugunsten der Schülerinnen und Schüler.

Verbindliche Kleiderordnungen an Privatschulen zulässig

Anders sieht es hingegen an Schulen in freier Trägerschaft aus: Sie können im Rahmen der Privatschulfreiheit aus Art. 7 Abs. 4 GG auch das Tragen von Schulkleidung verbindlich vorschreiben und den Schulbesuch davon abhängig machen. Das liegt daran, dass Schulen in privater Trägerschaft innerhalb des gesetzlichen Rahmens frei über eine besondere pädagogische, religiöse oder weltanschauliche Prägung entscheiden können. Das bezieht sich auch auf die Lehr- und Erziehungsmethoden oder die Unterrichtsorganisation. Danach hat eine private Schule das Recht, ihre Schülerinnen und Schüler selbst auszuwählen und nur solche aufzunehmen, die bereit sind, auch die vorgeschriebene Schulkleidung zu tragen. Auch eine Kleiderordnung fällt damit unmittelbar in den Schutzbereich der Privatschulfreiheit. Den Schülerinnen und Schülern beziehungsweise ihren Eltern oder Personensorgeberechtigten steht es grundsätzlich frei, mit dem Schulträger einen entsprechenden Schulvertrag abzuschließen und sich damit der Schulordnung zu unterwerfen. Zudem ist es Sache der Eltern, in Wahrnehmung ihres Erziehungsrechts darüber zu entscheiden, welcher Schule sie ihr Kind anvertrauen.

Weigern sich Privatschülerinnen oder -schüler jedoch, die vorgeschriebene Schulkleidung zu tragen, können Schulen in freier Trägerschaft die analogen Regelungen zu Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen in den Landesschulgesetzen anwenden, sie müssen es aber nicht. Sie können auch eigene gleichwertige Schulordnungen beschließen, in denen diese Maßnahmen geregelt werden.

Zunächst käme als erste „Eskalationsstufe“ die Ermahnung als Erziehungsmaßnahme in Betracht. Hingegen stellt der Verweis mit Androhung des „Nachhauseschickens“ ebenso wie das „Nachhauseschicken“ selbst, verbunden mit einem Fehltag, bereits eine Ordnungsmaßnahme dar, die der Gewährleistung einer geordneten Unterrichts- und Erziehungsarbeit in der Schule dient. Allerdings ist auch dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einzuhalten: Die Ordnungsmaßnahme muss stets in einem angemessenen Verhältnis zum Verhalten stehen, das geahndet oder unterbunden werden soll. Außerdem ist zu beachten, dass bei einem vorübergehenden Ausschluss vom Unterricht die Aufsichtspflicht bestehen bleibt, und es muss entschieden werden, ob der betreffende Schüler eventuell von den Eltern abgeholt werden soll.

Meine Empfehlungen:

  • Die Möglichkeiten, in einer öffentlichen Schule verbindliche Bekleidungsvorschriften einzuführen, sind nur in einem engen Rahmen zulässig.
  • Auch wenn private Schulen andere rechtliche Möglichkeiten haben, das Tragen von Schulkleidung verbindlich vorzuschreiben oder eine bestimmte Kleidung auszuschließen, ist stets der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.
  • Es ist rechtlich zweifelhaft, einen Schüler allein wegen des wiederholen Verstoßes gegen eine Kleiderordnung vom Unterricht auszuschließen. Es sollten vielmehr zunächst weniger belastende (Erziehungs-) Maßnahmen im Sinne einer Eskalationsfolge zum Tragen kommen.
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