Kita (Macht) Schule Kita und Schule
Das Bild zeigt 2 Kleinkinder unter 3 Jahren, die in einem Raum miteinander spielen und dient als Beitragsbild für den Blogbeitrag von Dombert Rechtsanwälte mit dem Titel 'Zehn Jahre Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz – eine kritische Bilanz' von Rechtsanwältin Charlotte Blech.

Zehn Jahre Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz – eine kritische Bilanz

Das Recht auf einen Kita-Platz feiert in Deutschland zehnjähriges Jubiläum. Genau genommen geht es um den Anspruch auf „frühkindliche Förderung“ in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege, den Kinder seit dem 1. August 2013 von ihrem ersten Geburtstag bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres (Kindertagespflege/Krippe) bzw. bis zum Schuleintritt (Kita) haben. Der Jubel anlässlich dieses Jubiläums dürfte jedoch eher verhalten ausfallen. Denn nach wie vor klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, was die Kindertagesbetreuung in Deutschland betrifft.

Dabei waren die Absichten des Gesetzgebers gut: So gilt der Anspruch auf frühkindliche Förderung ganz allgemein für alle Kinder ab ihrem ersten Geburtstag. Faktoren, etwa das Einkommen der Eltern, spielen dabei keine Rolle. Hingegen wird den Eltern für ihre Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dieser Anspruch nur unter bestimmten Bedingungen gewährt, zum Beispiel wenn sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen, sich in einer Ausbildung befinden oder arbeitssuchend sind.

Diese Regelungen wurden 2013 in das Sozialgesetzbuch aufgenommen (§ 24 Abs. 1 und 2 SGB VIII) und sollten die Lücke zum Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt schließen (§ 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). Denn für die „Kindergartenkinder“ ist der Rechtsanspruch schon seit 1996 gesetzlich festgeschrieben. Auf diese Weise sollten Eltern Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren können.

Zweifel an der Umsetzung

Soweit die hehre Zielsetzung des Gesetzgebers – kommen wir nun zur Realität: Bereits bei Erlass des Gesetzes im Jahr 2013 bestanden Zweifel, ob sich dieser Anspruch so erfüllen lässt. Kritiker rügten die offensichtlichen Versäumnisse: So war zum Beispiel nicht rechtzeitig mit dem Ausbau und der Ausbildung von Personal gerade für den Krippenbereich begonnen worden. Dabei hätte man durchaus aus den Fehlern der jüngeren Vergangenheit lernen können. So hatte bereits der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt für viele Konflikte gesorgt. Davon zeugen nicht zuletzt zahlreiche Urteile, die sich gegen Kommunen und Landkreise richteten, weil sie den klagenden Eltern keine Betreuungsmöglichkeiten anbieten konnten.

Diese Probleme bestehen bis heute fort. Hinzu kommt, dass die Zahl der zu betreuenden Kinder stetig steigt – auch durch Zuwanderung, etwa im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.  Gleichzeitig fehlt es vielerorts an geeigneten Fachkräften. Das hat zur Folge, dass bundesweit weitaus weniger Kita-Plätze zur Verfügung stehen, als sie eigentlich benötigt werden. Das belegt die Statistik: Im Jahr 2022 wünschten sich 49,1 Prozent der Eltern mit Kindern unter drei Jahren einen Betreuungsplatz für ihr Kind, die Betreuungsquote lag jedoch bei lediglich 35,5 Prozent.

Fehlende Vorgaben zu Qualität

Hinzu kommt, dass auch die Qualität in der Betreuung nicht mit dem gewünschten Anspruch auf frühkindliche Förderung Schritt halten kann. Denn wie der Anspruch auf einen Kita-Platz im Einzelnen auszugestalten ist, schreibt das Gesetz nicht vor: Es gibt weder festgeschriebene Anforderungen an die Qualität der Betreuung, noch Vorgaben zu Dauer und Umfang. Ein umfassender Anspruch auf eine ganztägige Betreuung existiert zum Beispiel nicht. Im Gesetz findet sich lediglich die Formulierung, dass sich der Umfang der Förderung nach dem „individuellen Bedarf“ zu richten hat (§ 24 Abs. 1 S. 3 SGB VIII). Dabei hat der öffentliche Träger der Jugendhilfe sicherzustellen, dass eine bedarfsgerechte und effiziente frühkindliche Förderung in der Gesamtheit ermöglicht wird. Wie er dies tut, bleibt ihm selbst überlassen. Diese Regelungslücke zusammen mit unserem föderalen System führen zu einem Flickenteppich an Regelungen. Vor dem Hintergrund ungünstiger Betreuungsschlüssel und entsprechend hoher Arbeitsbelastungen verwundert es nicht, dass zahlreiche Einrichtungen hinter den Empfehlungen der Erziehungswissenschaftler und Pädagogen zurückfallen.

Die Realität der Kinderbetreuung in Deutschland sieht daher häufig so aus: Eltern müssen die Betreuung ihrer Kinder aufgrund eingeschränkter Öffnungszeiten und zeitweisen Schließungen selbst organisieren, während vielen Kindern ihr Recht auf eine angemessene frühkindliche Bildung teilweise genommen wird. Viele Kitas können ihrem Bildungsauftrag aufgrund der schlechten Personalausstattung nicht oder nur eingeschränkt gerecht werden. Das hat auch Einfluss auf die Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit.

Will der Gesetzgeber seinen Anspruch auf frühkindliche Förderung umfassend durchsetzen, so müssen die entsprechenden finanziellen Mittel bereitstehen und für mehr gut ausgebildetes Personal und eine verbesserte Ausstattung eingesetzt werden. Aus dem Gesetz muss zudem klar hervorgehen, wer zwischen Bund, Ländern und Kommunen welchen Kostenanteil der Kita-Finanzierung übernimmt. Schließlich sind frühkindliche Bildung und eine kindgerechte Betreuung entscheidend dafür, wie die kommende Generation aufwächst.

Rechtsanspruch von Grundschulkindern auf Ganztagsbetreuung

Denn der nächste Meilenstein in puncto Rechtsanspruch steht schon bevor: Er wird auch für die Betreuung von Kindern im Grundschulalter eingeführt. Vom August 2026 an sollen zunächst alle Grundschulkinder der ersten Klassenstufe ganztägig gefördert werden. Dieser Anspruch wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet. Damit hat ab August 2029 jedes Grundschulkind von der ersten bis zur vierten Klasse einen Anspruch auf ganztägige Betreuung, also von acht Stunden täglich. Dies stellt die Kommunen und Träger vor weitere zahlreiche finanzielle und personelle Herausforderungen. Denn der Bedarf an Ganztagsangeboten für Kinder im Grundschulalter wird trotz des bisherigen Ausbaus der Betreuungsinfrastruktur in den Ländern noch lange nicht gedeckt.

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