Die Ampelkoalition hat sich viel vorgenommen: Sie will den Umbau Deutschlands zur Klimaneutralität deutlich vorantreiben. Dafür sind tiefgreifende Einschnitte und umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur notwendig. Dazu gehören vor allem ein beschleunigter Ausbau regenerativer Energien, die Errichtung neuer Hochspannungstrassen, aber zum Beispiel auch ein moderneres Streckennetz, damit der Verkehr von der Straße oder Luft auf die Schiene verlagert werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag diverse Maßnahmen angekündigt haben, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Die Digitalisierung soll nach den Vorstellungen der neuen Bundesregierung dabei eine wichtige Rolle spielen. So sollen Behörden mit der notwendigen Technik ausgestattet, IT-Schnittstellen zwischen Bund und Ländern standardisiert und das digitale Portal für Umweltdaten zu einem öffentlich nutzbaren zentralen Archiv für Kartierungs- und Artendaten ausgebaut werden. Bereits erhobene Daten sollen zudem, soweit erforderlich durch Plausibilisierungen, möglichst lange nutzbar gemacht werden. Planungsprozesse werden mit Gebäudedatenmodellierung, dem sogenannten Building Information Modeling, effizienter, kostengünstiger und transparenter gestaltet. Die digitalen Möglichkeiten des Planungssicherstellungsgesetzes sollen nahtlos fortgesetzt und weiterentwickelt werden. Dieses Gesetz hatte dafür gesorgt, dass in der Corona-Pandemie weite Teile der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Genehmigungsprozessen ins Internet verlagert werden konnten. Man wird abwarten müssen, inwieweit sich die hergebrachte Behördenstruktur in ein digitales Netz einbinden lassen wird. Die bisherigen Erfahrungen in der Corona-Pandemie haben gezeigt, wie wichtig einheitliche Digitalstrukturen etwa in den Gesundheitsämtern sind, wenn effizient und schnell gehandelt werden muss.
Um Verwaltungsverfahren zu beschleunigen, ist zudem geplant, die Öffentlichkeit so früh wie möglich zu beteiligen. Unter anderem soll klargestellt werden, dass wiederholte Auslegungs-, Einwendungs- und Erwiderungsschleifen vermieden werden, indem bei Planänderungen nur noch neu Betroffene angehört werden und erneute Einwendungen ausschließlich gegen die Planänderungen zulässig sind. In eine vergleichbare Richtung geht es, wenn verwaltungsinterne Fristen und Genehmigungsfiktionen bei Beteiligung anderer Behörden ausgeweitet werden sollen. Wenn nach Ablauf einer bestimmten Frist die fachlich zuständige Behörde keine Einwendungen gegen ein Vorhaben geltend gemacht hat, so gilt – darauf dürfte der Koalitionsvertrag abzielen – das Einvernehmen dieser Behörde als erteilt. Bei besonders wichtigen Vorhaben soll der Bund künftig nach dem Vorbild des Bundesimmissionsschutzgesetzes kurze Fristen auch zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vorsehen.
Bei großen und besonders bedeutsamen Infrastrukturmaßnahmen will die Koalition auf ein Instrument zurückgreifen, das schon die Vorgängerregierung eingeführt hatte: Maßnahmegesetze.
Hierdurch sollen bestimmte Infrastrukturprojekte, beispielsweise wichtige Bahnstrecken, Stromtrassen und Ingenieursbauwerke wie kritische Brücken, vom Bundestag beschleunigt auf den Weg gebracht und mit hoher politischer Priorität umgesetzt werden. Mi Blick auf erforderliche Umweltprüfungen soll eine Abstimmung mit der Europäischen Kommission erfolgen. Über den Zugang zum Bundesverwaltungsgericht werden zudem der Rechtsschutz und die Effektivität des Umweltrechts sichergestellt. Für geeignete Fälle soll auch eine Übernahme von Raumordnungsverfahrens durch den Bund in Betracht kommen.
Darüber hinaus sollen Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren enger verzahnt werden, um Doppelprüfungen zu vermeiden. Das Instrument der Plangenehmigung, das mit einem geringeren Verfahrensumfang auskommt, soll insbesondere bei Unterhaltungs-, Sanierungs-, Erneuerungs-, Ersatz- und Ergänzungsmaßnahmen im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit existierenden Infrastrukturen innerhalb des europäischen Rechtsrahmens stärker nutzbar gemacht werden. Angestrebt wird, soweit möglich und sinnvoll, Sonderregeln für einzelne Gebiete der Fachplanung in das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht zu überführen.
Da es neben den Planungs- und Genehmigungsverfahren regelmäßig auch Verwaltungsgerichtsverfahren sind, die zu einer Verzögerung von Bau- und Infrastrukturprojekten führen, will die neue Bundesregierung auch hier ansetzen. Durch einen „frühen ersten Termin“ sowie durch ein effizienteres einstweiliges Rechtsschutzverfahren, in dem Fehlerheilungen maßgeblich berücksichtigt werden und auf die Reversibilität von Maßnahmen abgestellt wird, sollen Gerichtsprozesse beschleunigt werden. Klägerinnen und Kläger, deren Rechtsbehelfe zur Fehlerbehebung beitragen, die aber in der Sache danach keinen Erfolg mehr haben könnten, sollen die Verfahren ohne Nachteil beenden können. Ob das allein ausreichen wird oder ob nicht auch eine Aufstockung der Richterstellen an den Gerichten erforderlich ist, um eine wirkliche Beschleunigung zu erreichen, bleibt indes fraglich. Da die Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte Gerichte der Bundesländer sind, wären die Handlungsmöglichkeiten des Bundes insoweit aber ohnehin beschränkt.
Die neue Bundesregierung wird sich an diesen Vorhaben im Koalitionsvertrag messen lassen müssen. Ihre Umsetzung dürfte eine große politische und juristische Herausforderung werden. Gelingen werden Klimaschutz und Energiewende aber nur, wenn die gesamte Gesellschaft mitmacht. Die notwendige Transformation ist daher vor allem auch eine Mentalitätsfrage. Die Bevölkerung muss sich darüber klar werden, dass nicht reflexartig jedes neue Großprojekt abgelehnt und mit unzähligen Einwänden bedacht, später auch verklagt werden darf. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist diese destruktive Haltung zuletzt ganz plastisch beschrieben worden: Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung des Genehmigungsverfahrens zum Fehmarnbelt-Tunnel sind von deutscher Seite 12.600 Einwendungen eingegangen, aus Dänemark kamen 50.