Brandenburg bekommt ein neues Kinder- und Jugendgesetz. Zum 01.01.2024 soll es in Kraft treten. Die Landesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag auf den Erlass eines solchen Gesetzes geeinigt. Mit dem Entwurf, der derzeit noch in der Abstimmung ist, nimmt sie nicht nur in Bezug auf die Inhalte, sondern auch aufgrund des besonderen Beteiligungsverfahrens eine Vorreiterrolle ein.
Mit dem neuen Gesetz soll der Kinder- und Jugendschutz weiter gestärkt werden, was ganz wesentlich auch durch mehr Beteiligung der Kinder und Jugendlichen erreicht werden soll. Zudem soll die Prävention vor Ort ausgebaut werden. Mit dem Gesetzentwurf kommt Brandenburg zugleich seinen bundesgesetzlichen Verpflichtungen aus dem im Sommer 2021 in Kraft getretenen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz des Bundes nach. Dieses Bundesgesetz sieht auch auf Landesebene neue Regelungen, unter anderem im Kinder- und Jugendhilferecht vor. Das neue Kinder- und Jugendgesetz löst zugleich das (brandenburgische) Gesetz zur Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII („Erstes Gesetz zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe“ (AGKJHG)) ab und erweitert es in wesentlichen Bereichen.
Kinder und Jugendliche werden mehr beteiligt
Was den Entwurf besonders macht, ist das bereits abgeschlossene und der offiziellen Ressort- und Verbändebeteiligung vorgeschaltete Beteiligungsverfahren. In dem Verfahren wurden die relevanten Interessengruppen wie Landkreise, kreisfreie Städte, kommunale Spitzenverbände, Landes- Kinder- und Jugendausschuss, Landeskita-Elternbeirat, LIGA der Freien Wohlfahrtsverbände usw. zu einem sehr frühen Zeitpunkt eingebunden. Erstmalig kamen auch Kinder und Jugendliche zu Wort. Die Kinder- und Jugendbeauftragte des Landes bezog über Onlinebefragungen rund 500 junge Menschen in die Vorbereitungen des Gesetzes mit ein: Sie konnten nicht nur ihre Erwartungen schildern, sondern auch konkrete Forderungen stellen. Dafür wurden unter anderem zwei Workshops mit Vertretern aus verschiedenen Jugendgremien veranstaltet. Da Verbändeanhörungen auch auf Landesebene aufgrund der kurzen Stellungnahmefristen gelegentlich den Anschein vermitteln können, nur der Form halber durchgeführt zu werden, handelte es sich hierbei um eine begrüßenswerte positive Entwicklung.
Auch inhaltlich spielt das Thema Beteiligung und Öffnung für die Belange der Kinder- und Jugendlichen eine große Rolle. So sieht das Gesetz zum Beispiel die Einrichtung eines „Kompetenzzentrums Kinder- und Jugendbeteiligung“ vor, in dem Kinder und Jugendliche auch außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Anhörungsverfahren beteiligt werden können (§ 13 KJG-E). Sie sollen zudem die Möglichkeit erhalten, sich in unabhängigen Anlaufstellen von festen Ansprechpersonen beraten zu lassen. Diese Beratungen sollen zudem an anderen, unabhängigen und nicht an den üblichen Orten, etwa den Jugendämtern, stattfinden. Auf diese Weise soll das Problem etwaiger Stigmatisierungen vermieden werden. Die Betroffenen sollen ganz allgemein zu ihrer persönlichen Situation oder der ihrer Familien beraten werden – unabhängig davon, ob die Kinder Sozialleistungen beziehen oder nicht. Damit geht Brandenburg über die Vorgaben des SGB VIII hinaus, das eine Beratung nur verbunden mit einem Leistungsanspruch vorsieht.
Besserer Schutz vor Gewalt geplant
Neu ist auch, dass alle Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, dazu verpflichtet werden, Schutzkonzepte vor Gewalt zu entwickeln. Das betrifft also nicht nur Schulen und Kitas, sondern auch private Einrichtungen wie Musikschulen oder Reitvereine. Kinder- und Jugendlichen sollen künftig wissen, an wen sie sich im Ernstfall wenden können: Die Schutzkonzepte sollen konkrete Ansprech- und Vertrauenspersonen und Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme sowie Beschwerdemöglichkeiten für die Kinder und Jugendlichen aufführen. Darüber hinaus sollen Kinder und Jugendliche künftig besser vor Extremismus geschützt werden. Auch dazu will das neue Gesetz beitragen. Die Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg/Bündnis für Brandenburg“ ist als Landesdemokratiezentrum Partnerin und fördert unter anderem Projekte und Vorhaben zur Extremismusbekämpfung. Dieses Vorhaben ist insbesondere im Hinblick auf zunehmende rechtsextremistische Vorfälle an Schulen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern von großer Bedeutung.
Selbstverständlich verursachen die neuen Aufgaben des Kinder- und Jugendschutzes zusätzliche Kosten, für die die Landkreise und kreisfreien Städte aufkommen müssen. Deshalb sollen Rechtsgrundlagen für den Ausgleich an Mehrbelastungen durch das Land im Rahmen des Konnexitätsprinzips geschaffen werden.