UMWELT(EN) WEITER. Umwelt und Klimaschutz
Das Bild zeigt eine Wohnsiedlung an einem Feldrand mit Windkrafträdern im Hintergrund und dient als Beitragsbild zum Blogbeitrag von Janine Wilke Dombert Rechtsanwälte Potsdam und Düsseldorf.

Weniger Rendite für mehr Akzeptanz? Grünes Licht für Beteiligungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern

Klimaschutz und erneuerbare Energien finden die meisten Bürger gut und wichtig. Das sieht aber ganz anders aus, wenn plötzlich Windenergieanlagen vor ihrer eigenen Haustür errichtet werden. Seit 2016 soll das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (BüGembeteilG M-V) der schwindenden Akzeptanz von Windenergieanlagen entgegentreten. Danach sind Windenergieanlagenbetreiber in Mecklenburg-Vorpommern verpflichtet, beim Bau neuer Windenergieanlagen eine Projektgesellschaft zu gründen und mindestens 20 Prozent der Anteile an dieser Gesellschaft anzubieten. Kaufberechtigt sind alle natürliche Personen, die in einer Entfernung von maximal fünf Kilometern vom Standort der Windenergieanlagen gemeldet sind, Gemeinden, auf deren Gebiet sich die Windenergieanlagen befinden sowie solche, deren Gebiet nicht mehr als fünf Kilometer von den Standorten entfernt ist. Alternativ kann den Anwohnenden ein Sparprodukt und den Gemeinden eine jährliche Ausgleichsabgabe angeboten werden.

Diese Pflichten empfand ein Windenergieanlagenbetreiber als zu weitreichend. Er sah sich zu stark in seinen Grundrechten beeinträchtigt und versuchte sich vor dem Bundesverfassungsgericht zu wehren. Vergeblich – seine Verfassungsbeschwerde wurde überwiegend zurückgewiesen (Az.: 1 BvR 1187/17 vom 23.03.2022). Die obersten Verfassungsrichter hielten die Regelungen des BüGembeteilG M-V zum größten Teil für vereinbar mit dem Grundgesetz. Sie würden weder gegen die Berufs- oder Eigentumsfreiheit nach Art. 12 und 14 GG noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 GG verstoßen.

Dabei haben die Regelungen des BüGembeteilG M-V es in sich. Dies bestätigt auch das Bundesverfassungsgericht und bezeichnet die Intensität des Eingriffs in die Berufsfreiheit der Windenergieanlagenbetreiber als „beträchtlich“. Sie beschränken ihre unternehmerische Gestaltungsfreiheit, indem sie die Windenergieanlagenbetreiber zur Gründung einer Projektgesellschaft verpflichten, deren Ausgestaltung kommunalrechtlichen Vorgaben entsprechen muss. Zudem führen sie zu wirtschaftlichen Einbußen. So hat das anzuwendende Sachwertverfahren zur Folge, dass sich die Kaufpreise der Gesellschaftsanteile unterhalb der am freien Markt zu erzielenden Preise bewegen. Ferner erhalten die Windenergieanlagenbetreiber keine Gegenleistung für die alternative Zahlung der Abgabe und die Verzinsung des Sparproduktes. Hinzu kommt, dass diverse Informationspflichten erfüllt werden müssen. Alles in allem führen die Vorgaben des BüGembeteilG M-V für Windenergieanlagenbetreiber in Mecklenburg-Vorpommern zu Aufwendungen in erheblichem Umfang.
Diese müssten sie aber in Kauf nehmen, entschied das Gericht. Denn: Das BüGembeteilG M-V dient dem Gemeinwohl. Es verstärkt die Akzeptanz und somit den weiteren Ausbau der Windenergie in Mecklenburg-Vorpommern. Auf diese Weise wird den staatlichen Schutzpflichten nach Art. 20a GG Rechnung getragen. Der Klimaschutz und der Schutz vor den Folgen des Klimawandels werden verbessert. Gleichzeitig wird die Stromversorgung gesichert und die Abhängigkeit von Energieimporten reduziert, heißt es in dem Beschluss.

Um diese Ziele zu verwirklichen, muss jede noch so kleine Maßnahme ergriffen werden. Dass Deutschland den Klimawandel nicht allein bekämpfen kann, spielt mit Blick auf die staatlichen Schutzpflichten keine Rolle. Die logische Feststellung des Bundesverfassungsgerichts lautet vielmehr: Gerade weil der Klimawandel durch die Summe zahlreicher für sich genommen geringer Mengen an Treibhausgasen verursacht wird, kann er auch nur durch die Summe zahlreicher Maßnahmen zur Begrenzung der Emissionen angehalten werden. Hierzu zählt auch der Ausbau der Windenergie in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat zwei Seiten. Zum einen ist sie hocherfreulich, da sie klarstellt, dass jede einzelne Anlage zur Erzeugung erneuerbarer Energien einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt unserer aller Lebensgrundlagen leistet. Zum anderen bestätigt sie die umfangreichen Pflichten von Windenergieanlagenbetreibern, welche die Planungsprozesse und die Verwirklichung von Windenergieprojekten weiter erschweren und verzögern können.

 

Meine Empfehlungen:

  • Verstöße gegen die Regelungen des BüGembeteilG M-V stellen Ordnungswidrigkeiten dar und sind mit hohen Geldbußen belegt. Windenergieanlagenbetreiber sollten die Vorgaben des BüGembeteilG M-V daher bereits im frühen Stadium der Planung in den Blick nehmen und vor allem die Fristen beachten.
  • Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde auch in anderen Bundesländern mit Spannung erwartet. Der Senat hat sich ebenfalls zu formellen Fragen des Gesetzes geäußert – etwa der stark angezweifelten, nunmehr aber mit umfassenden Ausführungen bestätigten Gesetzgebungskompetenz des Landes. Es ist also damit zu rechnen, dass weitere Bundesländer nachziehen und entsprechende Regelungen zur Akzeptanzsteigerung schaffen werden. Die Gesetzeslage sollte aufmerksam beobachtet werden.
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