Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand – so lautet ein altbekanntes Sprichwort. Neben dem nötigen Gottvertrauen braucht man heutzutage allerdings auch eine ordentliche Portion Geduld. Das gilt auf jeden Fall in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Nur ist bei der dringend erforderlichen Modernisierung der Infrastruktur und beim Ausbau der erneuerbaren Energien die Langmut keine besonders gewünschte Eigenschaft. Vielmehr sind schnelle Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren die zentrale Voraussetzung, um Deutschland zügig zu modernisieren. Das hat aktuell auch Bundesjustizminister Marco Buschmann erkannt.
Vor diesem Hintergrund hat sein Ministerium den „Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich“ vorgelegt. Damit soll die Verfahrensdauer für bestimmte Vorhaben mit einer hohen wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedeutung reduziert werden, ohne dass die Effektivität des Rechtsschutzes beeinträchtigt wird. Die Begründung des Entwurfs erläutert hierzu, dass die Beschleunigung der verwaltungsgerichtlichen Verfahren sowohl angesichts der angestrebten Energiewende mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien einschließlich des erforderlichen Ausbaus der Stromnetze als auch im Hinblick auf den Ausbau und die Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur dringlich ist.
Die Beschleunigung der Verfahren soll nach dem Gesetzentwurf über verschiedene Stell-schrauben erreicht werden. So sollen bei den Verwaltungsgerichten für Angelegenheiten des Planungsrechts besondere Kammern oder Senate gebildet werden, um die Spezialisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bereich von infrastrukturrelevanten Verfahren weiter voranzutreiben. Des Weiteren dürfen Gerichte in Verfahren des Einstweiligen Rechtsschutzes, bei denen es um den Vollzug der Genehmigung für besonders bedeutsame Vorhaben, also um deren Baubeginn geht, Mängel im vorangegangenen Verwaltungsverfahren außer Acht lassen, sofern diese in absehbarer Zeit behoben werden können. Fehler, die zeitnah geheilt werden können, sollen also künftig Bauvorhaben nicht mehr so leicht stoppen können. Dieser Ansatz ist grundsätzlich richtig. Die meisten Fehler, die in Genehmigungsverfahren unterlaufen und im Gesetz beispielhaft genannt werden, können in Nachhinein durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden. Allerdings muss trotz des nachvollziehbaren Beschleunigungsinteresses der Rechtsschutz für diejenigen, die sich gegen diese Vorhaben wenden, effektiv bleiben. Insbesondere in Eilverfahren dürfen keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Diesem Aspekt wird im weiteren Gesetzgebungsverfahren hohe Bedeutung zukommen.
Das gleiche gilt für das in neu in der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehene Vorrang- und Beschleunigungsgebot (§ 87c VwGO). Zusammengefasst sollen bestimmte Planverfahren und Infrastrukturvorhaben etwa für den Ausbau von Straßen, Schienen und Stromleitungen oder für die Errichtung von Windenergieanlagen gegenüber anderen Streitigkeiten bevorzugt behandelt werden. Das könnte zur Folge haben, dass es bei den Verwaltungsgerichten zu Verfahren erster und zweiter Klasse kommt. Auch wenn insbesondere der Klimaschutz Beschleunigungen im Genehmigungsverfahren und bei den Gerichten rechtfertigt, muss genau geprüft werden, ob und inwieweit diese Ungleichbehandlung mit den Justizgrundrechten vereinbar ist.
Überdies muss vor allem den Vorhabenträgern klar sein, dass nach dem Vorschlag des Bundesjustizministeriums zwar Widersprüche und Klagen den Baubeginn bei besonders für die Infrastruktur und die Energieversorgung wichtigen Vorhaben nicht mehr so leicht stoppen können. Jedoch gilt auch in diesen Fällen weiterhin der Grundsatz: Wer trotz eines Widerspruchs oder einer Klage Dritter anfängt zu bauen, baut zunächst auf eigenes Risiko. Eine sorgfältige Prüfung der Genehmigung und des Genehmigungsverfahrens sowie der Möglichkeit, etwaige Fehler zu heilen, ist aber immerhin ein wichtiger Baustein für Rechts- und Investitionssicherheit.
Meine Empfehlungen:
Die Maßnahmen zur Beschleunigung von Verwaltungsgerichtsverfahren gehen in die richtige Richtung. Es muss aber trotz der Dringlichkeit des Klimaschutzes darauf geachtet werden
• dass auch die Gegner eines bedeutsamen Energie- oder Infrastrukturprojektes nach wie vor Rechtsschutz genießen und
• dass die schnellere Bearbeitung von Rechtsstreitigkeiten um wichtige Infrastrukturvorhaben mit dem verfassungsrechtlich geschützten Gleichbehandlungsgebot verein-bar ist.
• Zudem darf die personelle Ausstattung an den Verwaltungsgerichten bei allen Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden.