UMWELT(EN) WEITER. Umwelt und Klimaschutz
Klima-Protest

Klimaschutz – nicht klagen, sondern handeln!

Es war ein Paukenschlag: Ende April gab das Bundesverfassungsgericht mehreren Klimaschutzklagen junger Klimaaktivisten statt und kippte Teile des nationalen Klimaschutzgesetzes. Sie seien unvereinbar mit den Grundrechten, weil der Gesetzgeber keine ausreichenden Regelungen zur Treibhausgasreduktion für die Zeit ab dem Jahr 2031 getroffen habe, urteilte das Gericht.

Die deutschen Verfassungsbeschwerden reihen sich ein in eine Vielzahl weltweit erhobener Klimaschutzklagen gegen private Unternehmen oder Hoheitsträger. Sie alle verfolgen das Ziel, die Schäden, die durch den globalen Klimawandel eingetreten sind, zu kompensieren und künftige zu verhindern, wie zuletzt das Urteil in den Niederlanden gegen den Ölkonzern Shell. Das Urteil aus Karlsruhe hat indes nicht nur inhaltlich für erhebliches Aufsehen gesorgt. Es stellt auch in prozessualer Hinsicht ein Novum dar: Bislang scheiterten entsprechende Klagen in Deutschland an der fehlenden Klagebefugnis der Klägerinnen und Kläger. Die Gerichte haben ihre individuelle Betroffenheit im Fall des Klimaschutzes bislang stets verneint. Sie sahen auch die Schutzpflicht des Staates, die aus dem Grundrecht auf Lebensschutz folgt, regelmäßig als nicht verletzt an, weil sie die staatlichen Maßnahmen zum Klimaschutz für nicht gänzlich ungeeignet hielten.

Das nun ergangene Urteil deutet nun einen Paradigmenwechsel an: Das Bundesverfassungsgericht sieht die Schutzpflicht des Staates verletzt, weil die Gefahr künftiger Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht ausreichend eingedämmt werde. Das aktuelle Klimaschutzgesetz habe zur Folge, dass die Emissionen ab dem Jahr 2031 extrem reduziert werden müssten, um die Erderwärmung – wie angestrebt – auf 2° C zu begrenzen. Dadurch würden jedoch die künftigen Generationen erheblich in ihren Handlungsfreiheiten beschränkt, denn sie hätten den Großteil der Minderungslasten tragen. Mit anderen Worten: Dadurch, dass die heutige Erwachsenengeneration nicht genügend Emissionen einspart, müssen sich die jetzt noch jungen Klägerinnen und Kläger morgen noch weitergehenden Einschränkungen als ihre Eltern unterwerfen. Das dürfe nicht sein. Deshalb fordern die Karlsruher Bundesverfassungsrichter:

„Praktisch verlangt die Schonung künftiger Freiheit hier den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten.“

Wie genau dies auszusehen hat, haben sie – was in Anbetracht des Gewaltenteilungsgrundsatzes wichtig und richtig ist – dem Parlament überlassen.

Dabei stellt jedoch nicht die Gesetzgebung, sondern die praktische Umsetzung von klimafreundlichen Projekten die eigentliche Herkulesaufgabe dar, wenn mehr Klimaschutz erreicht werden soll. Noch fehlt es in der Gesellschaft an einem eindeutigen Bekenntnis, damit klimafreundliche Projekte wie Windräder, Bahntrassen oder energieeffiziente Gebäude schneller und effizienter realisiert werden können. Dazu sollten Projektträger und staatliche Aufgabenträger auf Augenhöhe Hand in Hand zusammenarbeiten.

In diese Richtung hat sich auch der Elektro-Auto-Hersteller Tesla Anfang April 2021 in einem Amicus-Curiae-Brief zum Verfahren der Deutschen Umwelthilfe gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg geäußert (Az.: 11 A 22/21). Tesla fordert mehr Effizienz in den regelmäßig langwierigen Genehmigungsverfahren durch Aufgabenbündelung, Professionalisierung und Digitalisierung. Das Unternehmen wünscht sich ebenfalls, dass klimafreundliche Investitionsprojekte vorrangig behandelt werden. Tesla regt daher an:

„Wenn Deutschland seine Führungsposition behalten und seine Klimaziele erreichen will, muss es diese Schwäche dringend beheben und ein schnelles Genehmigungs- und Raumplanungsverfahren für nachhaltige Projekte und die dafür notwendige Infrastruktur schaffen.“

Zudem kritisiert Tesla die fehlende Würdigung der indirekten Umweltauswirkungen eines Projektes: Ein positiver Klimaschutzbeitrag würde im Genehmigungsverfahren nur unzureichend berücksichtigt, hingegen lokale und direkte Umweltauswirkungen der Projekte sehr stark. Damit wirft Tesla die Frage auf, ob und inwieweit anerkannte Naturschutzverbände – so wichtig ihre Arbeit auch ist – mit ihren projektbezogenen Klagen dem Klimaschutz einen Dienst erweisen. Es muss darüber nachgedacht werden, ob kurzfristige Nachteile für den Nachbar- oder Naturschutz im Rahmen einer Abwägung aufgrund des überwiegenden gesamtgesellschaftlichen Ziels des Klimaschutzes nicht hingenommen werden müssen (siehe hierzu auch unseren Blogbeitrag: „Energiewende und Artenschutz – Ein Widerspruch?“.

Natürlich dürfen Natur- und Klimaschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden. Dafür geben die derzeitigen gesetzlichen Regelungen auch gar keinen Spielraum. Gleichwohl sollten Vorhabenträger und staatliche Aufgabenträger die bestehenden Möglichkeiten – etwa im Bereich der Bauleitplanung – nutzen, um eine einvernehmliche Konfliktbewältigung zum Wohle des Klimaschutzes anzustreben. Dafür müssen sie nicht erst auf neue Gesetze und Vorschriften warten, denn so viel Zeit bleibt nicht.

 

Meine Empfehlungen:

  • Klimafreundliche Investitionen sind wegweisend für die Erreichung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele. Ihre Umsetzung sollte höchste Priorität haben.
  • Genehmigungs-, Raumordnungs- und Planungsgesetze und die entsprechenden Verfahren sollten dahingehend überprüft werden, ob sie der Realisierung klimaschutzfreundlicher Projekte unnötige Steine in den Weg legen.
  • Zur Realisierung von klimafreundlichen Vorhaben sollten Behörden und Kommunen eng mit den Projektträgern im Sinne lösungsorientierter Konfliktbewältigung zusammenarbeiten. Hier bieten sich städtebauliche Verträge an, in denen die Beteiligten konkrete Klimaschutzmaßnahmen vereinbaren können.
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