Die Landesregierung in Niedersachsen hat ihre Unterrichtungspflicht gegenüber dem Landtag bei der Vorbereitung von Corona-Verordnungen verletzt. Dies geht aus einer Grundsatzentscheidung des niedersächsischen Staatsgerichtshofs in Bückeburg hervor (Az.: StGH 3/20 vom 09.03.2021). Konkret ging es um ein von den Landtagsfraktionen der Bündnisgrünen und der FDP gegen die Landesregierung angestrengtes Organstreitverfahren. Drei Verordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie seien jeweils erlassen worden, ohne dass eine frühzeitige, vollständige Unterrichtung des niedersächsischen Landtages als Ganzes erfolgt sei, so der Staatsgerichtshof.
Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 der niedersächsischen Verfassung ist die Landesregierung dazu verpflichtet, den Landtag über die Vorbereitung von Verordnungen frühzeitig und vollständig zu unterrichten, soweit es um Gegenstände von grundsätzlicher Bedeutung geht. Damit soll sicher gestellt werden, dass die Mitglieder des Landtages die notwendigen Informationen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erhalten und eine wirksame Kontrolle der Regierungstätigkeit durch das Parlament ermöglicht wird. Die Corona-Verordnungen enthielten Regelungen, die weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen haben, von erheblicher Grundrechtsrelevanz sind, Entschädigungsansprüche gegen das Land auslösen könnten, in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden und starke Beachtung finden, befand der Gerichtshof.
Zwar habe die Landesregierung verschiedene Ausschüsse des niedersächsischen Landtages in unterschiedlichem Umfang über die Pandemielage und die dagegen getroffenen Maßnahmen im Allgemeinen und über die streitgegenständlichen Verordnungen im Besonderen informiert. Ihre Unterrichtungspflicht bestehe jedoch gegenüber dem Landtag als Ganzes. Eine frühzeitige Unterrichtung hätte erfordert, den Landtag nach (vorläufigem) Abschluss der internen Willensbildung der Landesregierung zeitgleich mit der erfolgten Anhörung der kommunalen Spitzenverbände vollständig zu informieren. Dazu hätte auch der gesamte Entwurfstext im Landtag übermittelt werden müssen, also auch mit Begründungen, falls vorhanden. Die Eilbedürftigkeit aufgrund einer kurzfristigen Verkündung der Verordnung könne nicht von der Unterrichtungspflicht entbinden, betonte der Staatsgerichtshof.
Ansprechpartner für Fragen des Verfassungsrechts in unserer Kanzlei sind Rechtsanwalt Prof. Dr. Matthias Dombert sowie Rechtsanwalt Dr. Ralf Niermann.
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