Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat in einem aktuellen Beschluss die Anforderungen an die äußerste Dringlichkeit bei kommunalen Vergaben konkretisiert (Az.: 11 Verg 12/21 vom 07.06.2022). In dem vorliegenden Fall hatte die Auftraggeberin Bauleistungen über ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb beauftragt. Sie begründete dies mit der äußersten Dringlichkeit: Die Vergabe in einem regulären Verfahren und die Einhaltung der Mindestfristen würden zu massiven Verzögerungen führen, die Schäden im siebenstelligen Bereich verursachen würden. Mit dem gewählten Verfahren konnten diese Verzögerung um zwei Monate verkürzt werden.
Nach Auffassung der OLG-Richter waren jedoch in diesem Fall die Voraussetzungen einer solchen äußersten Dringlichkeit nicht gegeben. Diese lägen nur dann vor, wenn eine gravierende Beeinträchtigung für die Allgemeinheit und die staatliche Aufgabenerfüllung drohe, etwa durch einen schweren, nicht wieder gutzumachenden Schaden. Damit kommen nur akute Gefahrensituationen in Betracht. Ausschließlich wirtschaftliche Erwägungen begründen eine solche Dringlichkeit jedoch nicht. Erschwerend kam dazu, dass in dem vorliegenden Fall die Einhaltung der Mindestfristen möglich gewesen wäre, da die Angebotsfrist sieben Wochen betrug. Damit widersprach sich die Auftraggeberin selbst.
Nach Ansicht von Rechtsanwalt Janko Geßner bestätigt die Entscheidung, dass es sich bei der Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb um eine absolute Ausnahme handelt. „Zu schnell und ohne weitere Prüfung haben die Auftraggeber insbesondere in letzter Zeit zu dieser Ausnahme gegriffen. Weder die Corona-Pandemie noch der Ukraine-Krieg dürfen als Blanko-Check für die Anwendung dieser Ausnahmen genutzt werden“, erklärt Rechtsanwalt Philipp Buslowicz.
Ansprechpartner für alle Fragen des Vergabe- und privaten Baurechts in unserer Praxis sind Rechtsanwalt Janko Geßner, Rechtsanwältin Madeleine Riemer, Rechtsanwältin Dr. Janett Wölkerling, M. mel. und Rechtsanwalt Philipp Buslowicz, LL.M..
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