Das Ende der Objektversorgung? – Oder: warum Fahrradfahren unsolidarisch ist

Bei der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Jahr 2014 hat die weitreichende Einschränkung des sogenannten Eigenstromprivilegs bereits zu kontroversen Diskussionen geführt. Nun geht das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetztes (KWKG) an. Das KWKG ist neben dem EEG das wichtigste Gesetz zur Förderung der dezentralen Stromerzeugung in Deutschland. Nach dem nun vorliegenden „Eckpunktepapier ‚Strommarkt‘“ und den parallel hierzu veröffentlichten „Vorschlägen“ des BMWi soll der im EEG eingeläutete Trend, die Eigenstromerzeugung und Objektversorgung einzuschränken, im KWKG fortgesetzt werden. Dahinter steht (auch) die Kritik, dass diejenigen, die ihren Strom selbst erzeugen, sich unsolidarisch verhalten würden, da sie sich aus der Finanzierung der öffentlichen Stromversorgung zurückziehen würden. Nach dieser Logik müsste man zwar eigentlich auch das Fahrradfahren als unsolidarisch bezeichnen, weil sich Fahrradfahrer nicht an der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs beteiligen. Aber im Energierecht scheinen nach Ansicht des Ministeriums andere Maßstäbe zu gelten. Doch der Reihe nach:

Wirtschaftliche Anreize der Objektversorgung

Bei der Objektversorgung wird der in einem Gebäude benötigte Strom vor Ort selbst erzeugt. Meistens kommen für die Objektversorgung Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) zum Einsatz. KWK-Anlagen gelten als besonderes energieeffizient, weil der Strom als Nebenprodukt bei der Erzeugung der für die Raumheizung und Warmwasserbereitung benötigten Wärme gewonnen wird. Die Erzeugung von KWK-Strom wird daher – ähnlich wie der Strom aus Wind und Sonne – gesetzlich besonders gefördert. Betreiber der Anlage kann entweder der Hauseigentümer, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder ein mit dem Betrieb beauftragter Dienstleister (Contractor) sein.

Wirtschaftlich interessant ist die Objektversorgung unter anderem deshalb, weil für Strom, der nicht über das öffentliche Netz bezogen wird, keine Netznutzungsentgelte und keine daran gekoppelten Abgaben und Umlagen gezahlt werden müssen. Auch im Stromsteuerrecht sind dezentrale KWK-Anlagen mit einer Leistung von weniger als 2 MW privilegiert (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 StromStG). Diese Kostenbestandteile machen für Haushaltskunden bei einer Stromversorgung über das öffentliche Netz über 25 Prozent der Stromkosten aus, die bei einer Objektversorgung entfallen. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, von wem die Stromerzeugungsanlage betrieben wird.

Erfolgt der Betrieb der Stromerzeugungsanlage jedoch durch dieselbe Person, die den Strom auch verwendet, greift zusätzlich das Eigenstromprivileg nach dem EEG: Wer den Strom mittels einer KWK-Anlage selbst erzeugt und dann auch selbst verbraucht, zahlt keine oder nur eine verminderte EEG-Umlage. Die EEG-Umlage macht mit derzeit 6,24 Ct/kWh bei Haushaltskunden weitere 25 Prozent der Stromkosten aus. Vor der Reform des EEG im Jahr 2014 war der Eigenstrom im Regelfall gänzlich von der Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage ausgenommen. Für Anlagen zur Eigenstromversorgung, die nach dem 01.08.2014 in Betrieb genommen worden sind, sieht § 61 EEG 2014 nunmehr vor, dass je nach Art der Anlage zwischen 30 bis 100 Prozent der sonst üblichen EEG-Umlage zu zahlen sind.

Wirtschaftlich wird der Betrieb von KWK-Anlagen zur Objektversorgung häufig allerdings erst aufgrund der besonderen Förderung nach dem KWKG. Die Höhe des KWK-Zuschlags, den der Anlagenbetreiber für jede erzeugte Kilowattstunde KWK-Strom gelten machen kann, hängt von der Anlagengröße ab und liegt zwischen 1,8 und 5,41 Ct/kWh. Nach den derzeit noch geltenden Regelungen des KWKG wird der KWK-Zuschlag auch dann gezahlt, wenn der Strom im Objekt verbraucht und also nicht in das Stromnetz der allgemeinen Versorgung eingespeist wird (vgl. 4 Abs. 3a KWKG). Dies soll sich durch die Novellierung des KWKG jedoch nun ändern.

Vorschläge des BMWi zur KWKG-Novelle

Nachdem das BMWi zunächst im „Grünbuch ‚Strommarkt‘“ grundlegende Erwägungen zum neuen Strommarktdesign veröffentlicht und öffentlich konsultiert hat, hat es am 27.03.2015 das „Eckpunkte-Papier ‚Strommarkt‘“ vorgestellt. Im selben Zuge wurde auf der Internet-Seite des Ministeriums eine Folien-Präsentation mit einem konkreten „Vor-schlag für die Förderung der KWK“ veröffentlicht. Demnach hat das Ministerium im Wesentlichen folgende Änderungen im KWKG geplant:

  • Das Ziel, den Beitrag der KWK an der Stromerzeugung in Deutschland auf 25 Prozent zu erhöhen (vgl. § 1 KWKG) soll zwar grundsätzlich beibehalten werden. Bezugsgrößer soll aber nicht mehr die gesamte, in Deutschland erzeugte Strommenge sein, sondern nur noch die „thermische Stromerzeugung“. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste die KWK-Strommenge nur noch um 19 TWh – statt der andernfalls erforderlichen 50 TWh – gesteigert werden.
  • Der Kostendeckel für die KWK-Förderung (vgl. § 7 Abs. 8 KWKG) soll von 750 Millionen auf 1 Milliarde Euro erhöht werden. Damit fließen also jährlich 250 Millionen Euro mehr in die KWK-Förderung.
  • Das Geld soll allerdings zum größten Teil – nämlich geschätzte 224 Millionen Euro – den mit Gas betriebenen Bestandsanlagen der öffentlichen Versorgung mit mehr als 10 MW Leistung zu Gute kommen. Da viele dieser Anlagen aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unwirtschaftlich geworden sind, sollen sie für eine begrenzte Zeit eine zusätzliche Förderung von 1,2 bis 1,4 Ct/kWh erhalten. Hiervon dürfen in erster Linie Stadtwerke profitieren, da Anlagen dieser Größen-ordnung vor allem in den Anlagenportfolios der Stadtwerke zu finden sind.
  • Für die Objektversorgung soll der KWK-Zuschlag dagegen weitgehend gestrichen werden. Denn die Anlagen zur Objektversorgung ließen sich nach der Einschätzung des BMWi aufgrund der Vermeidung der Netzentgelte derzeit „hoch profitabel“ betreiben. Nur Neuanlagen mit einer Leistung von weniger als 50 kW sollen weiterhin gefördert werden, wobei die Förderhöhe jedoch von derzeit 5,41 Ct/kWh auf 4,0 Ct/kWh gesenkt werden soll.
  • Neuanlagen mit einer Leistung von mehr als 50 kW sollen grundsätzlich nur noch dann gefördert werden, wenn der Strom in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Hierfür soll die Förderung um 1,0 Ct/kWh erhöht werden.
  • Um den Anreiz zur Netzeinspeisung auch für kleinere Anlagen zu erhöhen, sollen die Anlagen mit einer Leistung von weniger als 50 kW sogar mit 8 Ct/kWh gefördert werden. Allerdings soll die Förderdauer für diese Anlagen nicht mehr zehn Jahre, sondern 45.000 Vollbenutzungsstunden sein.
  • Energieintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes, die unter die besonderen Ausgleichsregelungen des EEG fallen, sollen ihren KWK-Strom auch weiterhin unabhängig von der Netzeinspeisung gefördert bekommen.

Bestandsanlagen, die bereits nach dem KWKG gefördert werden, sollen Bestandsschutz genießen. Sie verlieren also bis zum Ende ihrer jeweiligen Förderdauer auch bei einer Objektversorgung den KWK-Zuschlag nicht.

Die nächsten Schritte

Wer sich an die Diskussionen des letzten Jahres zur EEG-Reform erinnert, den mag der Vorschlag, den KWK-Zuschlag für die Objektversorgung weitgehend zu streichen, überraschen. Denn schließlich hatte man sich bereits darauf verständigt, als Ausgleich für die neu eingeführten Belastung des Eigenstroms mit der EEG-Umlage die Fördersätze im KWKG anzuheben (vgl. § 7 Abs. 7 KWKG). Davon ist jetzt nicht mehr die Rede.

Ob die Objektversorgung damit insgesamt so unattraktiv gemacht wird, dass sie sich nicht mehr rechnet, bleibt jedoch abzuwarten. Denn zum einen hängt die Wirtschaftlichkeit der KWK-Anlagen von einer Vielzahl von Faktoren ab. Nach der vom BMWi in Auftrag gegebenen Evaluierung des KWKG seien die KWK-Anlagen der höheren Leistungsklassen, die zur Objektversorgung eingesetzt werden, auch unter den derzeitigen Bedingungen ohne den KWK-Zuschlag rentabel zu betreiben. Eine entscheidende Größe sind dabei die Kosten der Netznutzung, deren grundlegende Neuausgestaltung im „Grünbuch ‚Strommarkt‘“ ebenfalls schon angekündigt ist.

Zum anderen muss der „Vorschlag“ zur Änderung der KWK-Förderung vom Ministerium erst noch in Gesetzesform gegossen und durch das Gesetzgebungsverfahren gebracht werden. Vor der Einleitung des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens will das BMWi im Juni 2015 jedoch zunächst noch das sogenannte „Weißbuch ‚Strommarkt‘“ veröffentlichen und – wie schon das „Grünbuch“ – öffentlich konsultieren. Das Weißbuch soll dann die konkret geplanten Maßnahmen enthalten, zu denen die Öffentlichkeit bis September 2015 Stellung nehmen kann. Bis zum Inkrafttreten der neuen Förderregelungen ist es also noch ein langer Weg.

 

Die Projektkanzlei Lange berät Anlagenbetreiber, Messstellenbetreiber und Wohnungs-unternehmen in allen Fragen zur dezentralen Stromerzeugung. Die Anlagengrößen reichen von kleinen PV-Dachanlagen bis zu größeren Kraftwerken mit mehreren Megawatt installierter Leistung.

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