Der als „Haar- und Barterlass“ bekannten Dienstvorschrift der Bundeswehr fehlt eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Das hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts jetzt entschieden (Az.: 1 WB 28.17 vom 31.01.2018). Auch wenn die Vorschrift, die auch Regelungen zu Tätowierungen und Piercings enthält, für eine Übergangszeit bis zu einer entsprechenden Neuregelung weiterhin anzuwenden ist, muss der Gesetzgeber mit Klarstellungen die dienstlichen Anforderungen kurzfristig absichern.
Ein Stabsfeldwebel hatte sich beschwert, dass Soldaten kurz geschnittene Haare haben müssten, während Soldatinnen die Haare lang und zum Pferdeschwanz zusammengebunden tragen dürften. Das sei seiner Meinung nach diskriminierend. Nach Ansicht des Gerichts schließt das Gleichberechtigungsgebot nicht aus, dass unterschiedliche Regelungen für Dienstkleidung und Frisuren für Soldatinnen und Soldaten bei der Dienstausübung existieren. Der bisherigen Vorschrift (§ 4 Abs. 3 Satz 2 Soldatengesetz) sei jedoch nicht eindeutig zu entnehmen, „dass der Erlassgeber im Sachzusammenhang mit der Festlegung einer Kleiderordnung auch zu notwendig in den privaten Lebensbereich hineinwirkenden Regelungen über die Gestaltung von Körperbestandsteilen von Soldatinnen und Soldaten ermächtigt wird“, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Es forderte den Gesetzgeber dazu auf, darüber nachzudenken, ob Frisuren von Männern und Frauen bei der Bundeswehr auch künftig noch unterschiedlich geregelt werden sollten.
Die Entscheidung fügt sich ein in die Reihe früherer Entscheidungen und die jüngste Diskussion um die gesetzliche Ausgestaltung von körperlichen Einstellungsvoraussetzungen (Größe, Gewicht). Diese Reihe setzt eine aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg fort. Danach soll der Berliner Gesetzgeber entscheiden, wie mit Tätowierungen im Polizeidienst umzugehen ist (Az.: 4 S 52.18 vom 1.02.2019). Geklagt hatte ein Polizeianwärter, den die Berliner Polizei allein wegen seiner großflächigen Tätowierungen abgelehnt hatte. Die Polizei könne nicht von vornherein davon ausgehen, dass Tätowierungen in der Bevölkerung als bedrohlich und abschreckend wahrgenommen würden. Vielmehr seien Tätowierungen bei jungen Menschen weit verbreitet und in der Mitte der Bevölkerung angekommen, stellte das Gericht fest und bezog sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2017. Behördliche Ablehnungen seien nur zulässig, wenn wegen der Tätowierungen Zweifel bestünden, ob Bewerberinnen oder Bewerber für die freiheitlich demokratische Grundordnung und die Menschenrechte eintreten oder wenn sie damit gegen Strafgesetze verstoßen.
Ansprechpartner für alle Fragen des öffentlichen Dienstrechts in unserer Praxis sind Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Herrmann und Rechtsanwältin Christin Müller.
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